Auszug aus der Schulchronik :

Lehrer Henrich Jung (Verfasser der Schulchronik)
Lehrer Henrich Jung (Verfasser der Schulchronik)

Das jetzige Schulgebäude der evangelischen
Gemeinde Wiederstein steht in der
ungefähren Mitte des Ortes, an der östlichen
Seite des Fahr- oder Hauptweges,
welcher das Dorf von Norden nach Süden
durchschneidet und in eine östliche und
westliche Hälfte teilt. Das Gebäude ist zweistöckig  und aus dauerhaftem Holze und
Fachwerk erbaut. Anfänglich war dasselbe
mit Stroh, gegenwärtig aber mit Schiefer
bedeckt, auch die Süd- und Westseite
sind mit Schiefer beschlagen. Als Eingang
in das Schulgebäude führt eine steinerne
Treppe von 10 Stufen. Über derselben ist
eine überdachte Vorhalle, auf zwei hölzernen
Säulen ruhend, wahrscheinlich dazu
bestimmt, die Treppe und den Eingang gegen
die Einflüsse der Witterung zu schützen,
sowie auch dem ganzen Gebäude ein
schönes Aussehen zu geben. Im Erdgeschoss des Gebäudes befindet sich der Kellerraum und der Viehstall, welche beide jetzt vom Lehrer benutzt werden.

Das erste Stockwerk enthält die eigentliche Wohnstube des Lehrers, früher als Schullokal benutzt; 5,65 m lang und 5,08 m breit, ferner die Küche 2,50 m lang und 2,25 m breit, außerdem eine Kammer 5,65 m lang und 2,75 m breit, und dann an der Südseite die Spritzenremise 2,50 m lang und 2,75 m breit nebst dem Heustall an der Giebelwand 5 m lang und 2,50 m breit. Im zweiten Stockwerk befindet sich das Schulzimmer 2,825 m hoch und 7,846 m lang und ebenso breit (früher als Beetsaal benutzt), daran stoßend noch eine Stube 3,40 m lang und 3,85 m breit, welche erst im Jahre 1866 angelegt wurde. Der Bodenraum, das so genannte Oberhaus, auch Speicher genannt, hat eine Höhe von 4,70 m und ist 11,90 m lang und 8,50 m breit. Das Gebäude ohne Turm ist 9,85 m hoch. Fast über der Mitte des Gebäudes erhebt sich der weitläufige und große Turm; eigentlich zu colossal und schwer für den unteren Bau. Die Pfosten und Riegel desselben, aus starkem Eichenholze hergestellt, haben einen so starken Druck durch ihr Gewicht verursacht, dass, weil nur teilweise auf einer Mittelwand stehend, der Bau nach einer Seite hin gesunken, und dadurch der Turm seine schiefe Richtung erhalten. Von der Dachfirste bis zum Glockenstuhle bildet der Turm ein Quadrat von 2 m Durchmesser. Von da ab hat er eine achteckige Form, die vom Glockenstuhl aus nach oben spitz zuläuft. Bis zu Dachspitze resp. bis zu Eisenstange beträgt seine Höhe 5 m, vom Ring der Glocke aus 3 m. Rechnet man die ungefähre Höhe der Eisenstange bis zu Spitze noch 1 m, so ist der Turm vom Dachgiebel der Schule ab ca. 6 m hoch. Mithin die Höhe des Gebäudes von der Grundmauer bis zu Turmspitze etwa 15,85 m misst. Die Schulglocke ist eine so genannte „dreischlägige“ und schwingt von Norden nach Süden. Bei dem Läuten derselben lässt sich gut wahrnehmen, wie das ganze Gebäude sich bewegt. Sie führt die gut leserliche Umschrift „Anno 1768 goß mich J. Georg & Johannes Schneidewind in Frankfurt vor die reformierte Gemeinde in Wiederstein“. Die Turmuhr der hiesigen Gemeinde, in alten Orten gewöhnlich Gemeinde- Uhr genannt, scheint aus dem vorigen Jahrhundert zu stammen. Gegenwärtig ist dieselbe nicht gangbar. In früherer Zeit hatte dieselbe auch Zeiger und Zifferblatt. Nach ihrer Construction geht sie nur 16 Stunden in einem Aufzug. Wie aus alten Gemeinderechnungen ersichtlich ist, hat diese Uhr von jeher der Gemeinde viele Reparaturkosten verursacht. Seit mehreren Jahren hat dieselbe ihren Gang eingestellt, weil sie reparaturbedürftig ist und die Gemeinde-Vertretung die Kosten der Instandsetzung scheut. Viele Ortsbewohner bedauern dies sehr und wünschen, dass die Uhr wieder in Gang gesetzt würde; es geschieht aber nicht. Die Zeit der Entstehung oder Erbauung des hiesigen Schulhauses fällt in das Jahr 1759. In dem Riegel oder Brette unmittelbar über der Hausthüre ist das Bezügliche hierauf
eingraviert und wörtlich zu lesen, nämlich: „Wohl denen, die in diesem Hause wohnen;
die loben dich immerdar. Sela. Psalm 84 Vers 5. Anno 1759 den 21. März“. Auf einer
Holztafel, welche an einer Wand des früheren Betsaales angebracht war, ist folgendes
eingraviert und farbig gemalet: „Einweihungs : Text : math : am X. capitel : V. 12.13 gethan worden durch wilhelm Heinrich manger, oberprediger in burbach, den 29. November 1759“. Aus welchen Mitteln das große Schulhaus gebaut, wer den Bauplan gemacht, die Arbeit ausgeführt, und ob und in welcher Weise die wenigen Eingesessenen in Wiederstein
Hand- und Spanndienste geleistet haben, habe ich nicht erfahren können. Ohne Zweifel
hat es die „Alten“ damals ein großes Opfer gekostet, ein solches Schulhaus zu errichten
und ihre Nachkommen sollten ihnen noch heute dafür dankbar sein.