Geschichte der Kapellenschule Wiederstein :

 

Kurz nach Einführung der Reformation im Burbacher Kirchspiel wurde auch gegen
Ende des 16. Jahrhunderts die Burbacher Kirchspielsschule gegründet. Alle Kinder des
Kirchspiels, auch diejenigen aus den entlegendsten Filialdörfern, mussten die Kirchspielsschule besuchen. So auch die Kinder von Wiederstein, welches ca. 5 km von Burbach entfernt lag. Eine solche Forderung würde heute nicht mehr möglich sein. Der Weg am Langenholz vorbei durch den Scheidwald war schlecht, einsam und sumpfig, manches Stück ein tief ausgefahrener Hohlweg. Der Schulbesuch aus den weit weg liegenden Dörfern war nur sehr gering, einmal wegen der schlechten Wegeverhältnisse, zum andern aber auch im Hinblick auf die Zeitverhältnisse und unsicheren Zeiten. Wir dürfen auf keinen Fall annehmen, dass der Wechsel von einer Glaubenslehre zur andern, sich so glänzend vollzog. Im Volke war Missstimmung. Die Reformation hat viel Leid und Tränen mit sich gebracht, denn die neue Glaubenslehre wurde vom Landesherrn befohlen und jeder hatte sich zu fügen. Die Zeiten waren schwer. Missernten und Hungersnöte ließen oft größte Armut unter unsern Vorfahren walten. Unheimlich und schrecklich lag auch über unserm Lande das Unwesen des Hexenwahnsinns und Aberglaubens. Im nassauischen Gebiet von Dillenburg bis in den Freien Grund sind allein in der Zeit von 1600 bis 1680 rund 200 Personen, darunter 183 Frauen und 27 Männer wegen Zauberei hingerichtet worden (Dillenburger Chronik). Verheerende Seuchen wie Pest, rote Ruhr und Pocken verbreiteten sich wie ein Gespenst über das arme Land. Im Burbacher Kirchspiel wütete die Pest u. a. im Jahre 1577, wo auch der Burbacher Pfarrer Antonius Weintz ihr Opfer wurde. Kurzum, der
Besuch der neu gegründeten Kirchspielsschulen war mangelhaft. Deshalb wurde nach
und nach den weiter entfernt liegenden Filialdörfern gestattet, einen eigenen Schulmeister
zu halten. Um 1630 sollen alle Dörfer im Kirchspiel Burbach eigene Schulen
besessen haben. Der Unterricht wurde anfangs noch in Privathäusern abgehalten. Die
Schulhäuser wurden viel später gebaut.

Das alte Schulhaus in Wiederstein stammt aus dem Jahre 1759. Über seiner Haustüre
steht der Spruch: „Wohl denen, die in deinem Hause wohnen. Die loben dich
immerdar. - Sela - Ps. 84, Vers 55 - Anno 1759, den 21. März“. In den 200 Jahren
seines Bestehens sind natürlich allerlei Veränderungen an dem ältesten Schulbau vorgenommen worden. Beim Bau des ersten Wiedersteiner Schulhauses sah man für den 1. Stock einen Schulsaal und nur eine Wohnung für den Kuhhirten vor (nicht für den Lehrer). Der Hirte stand damals noch in höherem Ansehen als der Lehrer. Die Wohnung war sehr klein und bestand aus Küche, Wohnraum und Kammer. Außerdem
waren in der Schule der Viehstall mit dem Zuchtstier, sowie das übrige Vieh des Hirten untergebracht. Das Brüllen des Viehes und die Vorführung des Zuchtstieres sowie der Stallgeruch erregten bald manches Ärgernis, so dass es zu Beschwerden kam. Aber
noch im Jahre 1834 wohnte der Hirte mit in der Schule. Erst dann wurde die Wohnung
geräumt und als Lehrerwohnung vorgesehen. Der damalige Lehrer Hofmann besaß aber ein eigenes Haus und man vermietete die Schulwohnung an eine andere Familie im Orte. Im 2. Stock der alten Schule befand sich bis 1854 der Betsaal, das spätere Schulzimmer. 1880 wurde der Glockenturm auf die Nordseite des Hauses versetzt, da sich das Dach in der Mitte neigte. Der Turm samt Glocke war zu schwer und drückte das Dach ein. Die erste Glocke wurde 9 Jahre nach Fertigstellung der Schule 1768 eingebaut. Sie hatte die Inschrift: „Anno 1768 goß mich J. Georg & Johannes Schneidewind in Frankfurt vor die reformierte Gemeinde in Wiederstein“. Erst 1908 wurde sie ausgewechselt. Die zweite, in Herborn gegossene Glocke wurde bereits 1917 im Krieg eingeschmolzen. Die dritte Glocke wurde 1919 aufgehängt und bereits 1922 durch die vierte ersetzt, welche dann im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen wurde. Seit dem 30. Oktober 1949 läutet die aktuelle fünfte Glocke über Wiederstein. Ihre Inschrift lautet: „In Brilon durch Firma Albert Jung, Wiederstein 1949“. Diese Glocke wurde bis 1978 von Hand geläutet, zuletzt von Hermann Beel, dem Sohn von Lehrer Robert Beel. Danach wurde sie mit einem automatischen Läutewerk versehen. Die Kapellenschule besaß in früheren Zeiten auch eine von einem einheimischen Dorfschmied gebaute Turmuhr, die man jedoch 1902 vom Glockenturm entfernte.

Bis ins Jahr 1953 wurden die Kinder des Dorfes in der Kapellenschule unterrichtet.
Sie war zu dieser Zeit die älteste aktive Kapellenschule im Freien Grund und eine der ältesten im ganzen Siegerland. Die beiden letzten von insgesamt 29 Lehrern der alten Schule waren Lehrer Otto Rath und Lehrerin Helene Diehl.

Im Jahre 1952/53 wurde dann dasneue Schulgebäude in der Mischenbachstraße errichtet

und am 16. April 1953 eingeweiht. Die neue Schule, das jetzige Dorfgemeinschaftshaus,
wurde bis 1969 als Schule genutzt. Im April 1970 wurde beschlossen, in der früheren Volksschule für 50.000 DM einen Kindergarten einzurichten.Am 2. April 1971 öffnete der neue Wiedersteiner Kindergarten für 30 Kinder seine Pforte. Nach Errichtung des Anbaus konnte am 12. Oktober 1990 der erweiterte Kindergarten in Betrieb genommen werden.

 

 

Einen Auszug aus der

Wiedersteiner Schulchronik

von Lehrer Heinrich Jung

finden Sie

 

 

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Weitere erwähnenswerte Begebenheiten aus der Geschichte der Kapellenschule

 

Wie aus der Schulchronik bekannt ist, wurde der Schulunterricht vor 1759 vielfach
in Privatwohnungen abgehalten. Dort wurde der Lehrer auch reihum verköstigt (so
genannter Wandertisch). Der Unterricht fand jedoch nur in den Herbst- und Wintermonaten statt, von Michaelis (29. September) bis Ostern. Die Lehrer waren meist nur
Lehrer im Nebenberuf, da die Einkünfte zu gering waren. Aus diesem Grund waren
sie gezwungen, auch noch ihrem Hauptberuf nachzugehen. Es gibt Hinweise, dass
es vor dem Bau der Kapellenschule bereits ein Schulhaus in Wiederstein gegeben
hat. So ist auf einer alten Vermessungskarte von 1836 (Flur Nr. II, 5. Blatt, 1. Beilage)
eine Parzelle, südlich der heutigen Frankfurter Straße gelegen, mit Schulhof benannt
(zur Karte)  Wo genau das Schulhaus gestanden haben könnte und über welchen
Zeitraum ist nicht bekannt.

 

1760 hatte Wiederstein 180 Einwohner, darunter 80 Kinder, von denen wiederum 40
in der neuen Kapellenschule unterrichtet wurden.


Am 15. November 1878 wurde in der Kapellenschule der Jünglingsverein Wiederstein
gegründet (jetzt CVJM). Zuvor versammelte der Schuhmachermeister Franz Rieger sonntags einige Kinder zu einer Sonntagsschulstunde (ab 1876), anfangs in seiner Werkstatt, später verlegte man die Sonntagsschule in die Stube eines anderen Bruders. Da sich die Sonntagsschule gut entwickelte und immer mehr Kinder dazu kamen und in anderen Orten des Siegerlandes schon so genannte Jünglingsvereine gegründet worden waren, beschloss man, auch in Wiederstein einen solchen Verein zu gründen. Zum 1. Präses wurde Franz Rieger, zu seinem Stellvertreter Lehrer Heinrich Jung gewählt. Die ersten Vereinsstunden waren die Gesangsstunde an den Sonntagabenden, am Montagabend die Bibelstunde, am Mittwochabend die freie Besprechung und am Freitagabend die Unterrichtsstunde, geleitet
von Lehrer Heinrich Jung. Als im Jahr 1881 das Vereinshaus der Gemeinschaft in Zeppenfeld fertig gestellt war, wurden die Vereinsstunden von der Kapellenschule in das neue Haus verlegt. Da inzwischen auch einige junge Männer aus Zeppenfeld dazu gekommen waren, beschloss man, den Verein unter dem Namen Jünglingsverein Wiederstein-Zeppenfeld weiterzuführen. (Quelle: Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum des Jünglingsvereins Wiederstein- Zeppenfeld, 1928)


1885 wurde die Schulbücherei gegründet.

Hinter der Schule, auf dem Gelände des heutigen Feuerwehr-Gerätehauses, stand die Schulscheune. In früheren Jahren wurde dort das Heu und die Streu für den bis 1834 in der Kapellenschule untergebrachten Gemeindebullen (Zuchtstier) gelagert. Das so genannte Hirteheu musste von den Dorfbewohnern gestellt werden (noch bis Anfang des Jahres 1969). Nach 1834 wurde der Gemeindebulle anderweitig untergebracht, zuletzt bei Paul Krumm in der Mischenbachstraße. Aber auch das Feuerholz für die Kapellenschule wurde in der Schulscheune gelagert. Im Klassenzimmer stand, wenn man eintrat, links neben der
Tür ein großer Holzofen. Früh morgens mussten die älteren Schuljungen vor Schulbeginn
das Holz reinholen und damit den Ofen anheizen. Die Schulscheune wurde

1969 abgebrochen.


Die derzeitige Eingangstür der Kapellenschule wurde 1902 eingebaut.


Nach dem 2. Weltkrieg von 1945 bis ca. 1950 fand in der Kapellenschule die Schulspeisung
(Quäkerspeise) statt. Die Essensausgabe an die Kinder befand sich im Keller in der Waschküche.