Der Hauberg :

Haubergswirtschaft in Wiederstein
Der Hauberg (Hoa) ist eine für das Siegerland und benachbarte Teile des Lahn-Dill-
Berglandes typische Form der genossenschaftlichen Waldbewirtschaftung. Sie diente
der Gewinnung von Holzkohle für die regional bedeutsame Eisenerzverarbeitung sowie
zur Gewinnung von Gerblohe und zur Beschaffung von Brennholz. Die Hauberge
befanden sich früher im gesamten Siegerland ausschließlich in den Händen von Haubergsgenossenschaften.


Arbeiten im Hauberg im Laufe des Jahres :


Teilen
Ein in der Regel 18 Jahre alter Teil des Gesamthauberges war reif für den Einschlag.
Diese jeweils älteste Teilfläche (Schlagfläche) wurde gemeinschaftlich von allen Anteilsberechtigten bearbeitet. Die Anteilsberechtigten beteiligte man an der Bearbeitung
des jährlichen Haubergsschlages nach dem Maß ihres Anteils. Diese Haubergsanteile
wurden in Zoll und Schuh gemessen (1 Schuh = 10 Zoll). Dazu teilte man den Schlag
in unterschiedlich breite Streifen, Orte oder woanders auch Jähne genannt. Mit großer
Genauigkeit nahm man die Vermessung und Verteilung vor. Das geschah Anfang März
durch den Haubergsvorsteher und einige Haubergsgenossen. Die Orte wurden durch
hölzerne Grenzzeichen, meist eingeschlagene Holzpflöcke („Steiben“) markiert und
den Anteilseignern zugeteilt, natürlich nur für die Dauer der Bearbeitung. Nach dem
Aufteilen der Schläge markierten die Inhaber der Orte ihr Stück durch Einkerben ihrer
Haubergszeichen in die „Steiben“. Haubergszeichen waren unveränderliche Kennzeichen
bestimmter Anteilseigner und wurden vom Berechtigten außer zur Kennzeichnung
seiner Haubergs-Orte auch noch zur Eigentumskennzeichnung von Geräten und
Werkzeugen verwendet.

Räumen
Nachdem nun der Schnee geschmolzen und die

Sonnenstrahlen wärmer geworden waren, ging es in den Hauberg, bewaffnet
mit Beil und „Häbe“,
auch Knipp genannt. Dies ist ein messerähnliches
Gerät mit scharfer, vorne an der Spitze eingekrümmter Klinge und hölzernem
Griff. Nun begann man mit dem Abhieb der Weichhölzer, also der Birken, Ebereschen und Weiden, sowie der nicht schälfähigen Eichen. Mit einem scharfen Beil wurde der Stamm dicht über dem Erdboden abgeschlagen, der Wurzelstock durfte nicht beschädigt werden, er sollte ja wieder ausschlagen können. Sägen durften im Hauberg nicht verwendet werden, weil die Meinung bestand, dass die Ausschlagfähigkeit der Stöcke bei Verwendung von Sägen leiden könnte. Die gefällten Bäume wurden überwiegend mit der „Häbe“ entastet (geschneselt) und die Holzstangen anschließend innerhalb des Hauberg-Ortes zusammengetragen und auf Haufen abgelegt. Das anfallende Ast- und Kronenreisig wurde zu „Schanzen” gebunden; das waren Reisigbündel von ca. 1 m Länge und 30 cm Durchmesser, die am vorderen und hinteren Ende mit einem gedrehten
Birkenreisig zusammengebunden wurden. Die gebundenen „Schanzen” wurden in Wegnähe zusammengetragen und zum Trocknen aufgehäuft.

Im Hauberg blieben vorerst nur die Eichen stehen, die aber auch „ausgeräumt”, von Kleinwuchs befreit wurden. Der Hauberg hatte nun ein lichtes Aussehen bekommen und bis Ende Mai/Anfang Juni ruhte hier die Arbeit.

 

Lohschälen
Eichenrinde, insbesondere die Spiegelrinde junger Eichen, enthält 10-11% Reingerbstoff und eignete sich
deshalb vorzüglich zum Gerben von

Tierhäuten zu hochwertigem, strapazierfähigem Leder.
Sobald die verbliebenen Eichenstämme Laub ausgetrieben hatten, war die
Zeit für das Lohschälen da. Zuerst wurden die Äste und Kronen der Eichen entfernt.
Mit dem scharfen Lohschäler wurde von der Wurzel bis zur Spitze die Rinde
aufgeschnitten und vom Stamm gelöst.
So blieb sie einige Tage lang zum Trocknen am geschälten Stamm hängen.
Die dicken Äste wurden auf einem Stein oder Eisenstück mit dem Lohhammergeklopft, damit sich die Rinde löste. Dies war meistens die Arbeit der Jungen und Mädchen. Die kleinen Äste und Zweige wurden
zu „Raumbürdchen” gebunden. Nach einigen Tagen wurden die trockenen Rinden von
den Stämmen gelöst und zu „Bürden” zusammengeschnürt, um sie zu verwiegen und
in die Gerbereien zu transportieren.

Nun bot der Hauberg mit seinen weißen Eichenstämmen einen seltsamen Anblick. Die geschälten Eichenstangen wurden möglichst bald nach der Abnahme der Lohe, wie einige Wochen zuvor die Weichhölzer, möglichst dicht über dem Erdboden mit möglichst glattem Hieb abgehauen. Wichtiges Werkzeug beim Beladen der Wagen mit dem Stangenholz war der „Bindestock“ (Bennstock). Damit wurden Ketten um die voll beladenen Wagen gespannt, um die Ladung zu sichern. Mühselig war die Beförderung des Holzes und der „Schanzen“ über die oft ausgefahrenen und verschlammten Wege, nur langsam ging es mit den Kuhfuhrwerken voran. Das Stangenholz wurde ursprünglich fast ausschließlich zur Verkohlung verwendet, ein geringer Teil auch zerkleinert und als Brennholz genutzt. Die „Schanzen“ dienten zum Anbrennen der heimischen Herde und Öfen, und zum Heizen der
Backöfen im „Backes”.

Hacken und brennen
Im Juli, nach dem Einbringen
der Heuernte, begann die schwierigste Arbeit im Hauberg, das so genannte Hacken. Der Bodenüberzug (Brasen) des
Haubergs aus Gräsern, Kräutern und Zwergsträuchern wurde mit der „Hoahacke“ abgehackt. Nach ungefähr sechs Wochen
waren die abgehackten
Brasenstücke völlig  usgetrocknet, so dass sich
die anhaftende Erde ausklopfen ließ (Brasenklopfen).

Die verbliebenen organischen Reste wurden auf kleine Haufen zusammengezogen und verbrannt (Brasenbrennen). Dann glühte und dampfte der ganze Hauberg. Die entstandene Asche wurde in den Folgetagen als Dünger über die gesamte Schlagfläche verteilt.

Säen und ernten
Aus dem Hauberg wurde nun ein Acker. Nachdem der Roggen (Korn) gesät war, wurde er untergepflügt. Dies geschah in Gemeinschaftsarbeit. Alle Genossen erschienen an einem Morgen mit ihrem Vieh und dem „Hoach“, einem
Hakenpflug, an dem
sich keine Räder befanden, da diese im steilen und holprigen Hauberg eh nutzlos gewesen wären. Mit dem Unterpflügen war die Arbeit im Hauberg für dieses Jahr getan. Im folgenden Jahr, zur Zeit der Roggenernte, wogten im Hauberg die goldenen Ähren. Dann erschienen die Schnitter, um mit der Sichel die Ernte einzubringen. Die Verwendung von Sensen im Hauberg war früher verboten, weil dabei allzu leicht die jungen
Stockausschläge, die aus den Wurzeln der Laubbäume sprießen und die Grundlage
für künftige Holznutzungen bilden, beschädigt werden konnten.
Die Garben wurden zu je zehn Stück zu „Rittern” zusammengestellt, die elfte Garbe diente als Mütze und Regenschutz. Die Roggenernte im Hauberg war unverzichtbarer
Bestandteil der Ernährung großer Bevölkerungskreise, da der steinige Siegerländer
Boden selten eine zufriedenstellende Feldernte erbrachte.
Mit den jüngeren Birken und Eichen wuchs im Hauberg nun auch der Ginster heran. Er
wurde im späten Herbst mit starken Sicheln geschnitten und diente als Stallstreu. Das
Roggenstroh und auch Laub waren dafür zu schade. Roggenstroh diente, vermischt
mit sparsam zugegebenem Heu, als Viehfutter im Winter. Aus dem Ginster wurden
auch „Schanzen“ gebunden und bei strenger Kälte rund um das Haus gestellt. Vor
allem der Schweinestall wurde gegen die Minusgrade abgeschirmt.

Waldweide
Von vielleicht noch größerem Nutzen als die Roggenernte war der Hauberg als Möglichkeit
zur Viehhude. Von Mai bis September fand das Vieh dort an Kräutern und Gräsern reiche Nahrung. Sobald das junge Holz den Viehmäulern entwachsen war, wurde der Hauberg als Weide freigegeben, für Schafe nach dem vierten, für Rinder nach dem sechsten Jahr des Abtriebes. Ziegen waren wegen ihrer schädlichen Wirkung auf den Wald vom Weidegang ausgeschlossen. Die Waldweide geschah unter Aufsicht eines von der Gemeinde angestellten Hirten, der dafür bezahlt wurde und reihum in den beteiligten Häusern zu Tische saß. Zur Erleichterung der Aufsicht trugen die Herdentiere im Klang abgestimmte Glocken (Schellen) an kunstvoll geschnitzten und/oder bemalten Holzbügeln um den Hals. Das Huderecht ist uralt und fand bereits in den ersten Haubergsordnungen ausdrückliche Erwähnung. Die Haubergsarbeit, so schwer sie auch war, hat sich immer gelohnt. Der jährliche Abtrieb lieferte nicht nur das Brennholz, in früheren Jahren auch die so wichtige Holzkohle für die heimischen Hütten, sondern auch die begehrte Lohe, ohne die die einst
blühenden Siegerländer Gerbereien nicht denkbar gewesen wären. Hierzu kam die
Roggenernte, der Hauberg diente als Viehweide und lieferte Streumaterial. Die wenigsten

Menschen werden zur damaligen Zeit auch daran gedacht haben, dass hier ein geschlossener ökologischer Kreislauf existierte, fern jeder Monokultur. Erst der hochgejubelte „Siegerländer Schwarzwald” mit den „Fichtenfabriken” ließ den Wert des Haubergs mit seinem vielfältigen Leben, seiner ausgeprägten Fauna und Flora in besonders erstrebenswertem Licht erscheinen.


Quellen: 700 Jahre Neunkirchen, 1988
Der Siegerländer Hauberg – Haubergsarbeiten im Jahreslauf von Alfred Becker
Bilder: Mit freundlicher Genehmigung von Gerhard Schäfer, Burbach-Wahlbach

 

Haubergszeichen

In früheren Jahren hatte jede Familie in Wiederstein ihr eigenes Haubergszeichen.

Damit wurden sowohl die Holzstapel als auch die Werkzeuge markiert, um diese zweifelsfrei einer Familie zuordnen zu können. Viele dieser Haubergszeichen sind mitlerweile in Vergessenheit geraten, daher haben wir uns entschlossen, alle Haubergszeichen zusammenzutragen, die wir noch finden konnten.

Hier sehen Sie die noch bekannten Wiedersteiner Haubergszeichen :